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Ich blogge jetzt um nicht zu essen

Bin seit gestern unter Hochspannung. Während einer Therapie musstse ich den Raum verlassen, weil mich alles an die Arbeit der letzten Jahre erinnert hat. Dort habe ich leider nie die Reißleine gezogen, gestern habe ich es schlussendlich gemacht und gelernt.

 

Und mit so großer Anspannung kann ich nicht umgehen, ich esse dann. Weil Essen beruhigt mich ungemein, wenn ich  nicht genauer darüber nachdenke.

Diese hohe Anspannung zieht sich jetzt seit gestern Vormittag dahin und nimmt immer wieder zu. Es musste viel Schokolade und eine komplette Packung Chips seit gestern erhalten. Das sich die Anspannung dadurch nicht löst, sondern im Gegenteil, durch die Schuldgefühle noch steigert, das ist mir inzwischen ziemlich bewusst.

 

Heute war es mir dann auch zu laut, zu schrill, zu lustig und ein Mitpatient zu agressiv. Ich habe also weiter gegessen, dieses mal Mandenspekulatius in Massen. Und ich habe hinterfragt, den ganzen Tag!

Ich wurde sogar von einer Mitpatientin auf mein Essverhalten angesprochen, weil sie auch eine Essstörung hat. Das war gut. Den so habe ich sehr ruhig formulieren können, was in mir vorgeht. Das mir halt das agressive Verhalten von Goofie zu schaffen macht. Das laute Lachen und Gealbere von Donald mich überfordert. Beide und auch noch viele andere Mitpatienten waren im Raum. Ich habe gesagt, das das NICHT die Schuld der anderen ist, das ich mich so fühle und sie sich nicht davon beeinflussen lassen sollen, in ihrem Verhalten. Aber alleine das so leise und ruhig anzusprechen, das hat so gut getan, ich kann es gar nicht schildern.

 

Ich war danach immer noch am Essen, aber schon nicht mehr ganz so am schnellen Schlingen. Ich habe dann die ganze Zeit meinen Quetschball in der Hand gehabt und ihn ohne Ende geknetet. Und zwar den kompletten Nachmittag über. außer beim eigentlichen Mittagessen. Außerdem habe ich mich in den Pausen öfters in den Umkleideraum zurück gezogen, dort war ich für mich alleine. Auch das hat gut getan und ich musste in der Situation nicht essen. Sobald ich allerdings wieder in der lauten Gemeinschaft war, konnte ich den Lärm für mich nur mit Süßigkeiten essen betäuben.

 

Das ich das aber inzwischen so bewusst wahrnehme, finde ich für mich einen guten Fortschritt. Im Laufe des Nachmittages wurde das Schlingen noch weniger, aber es verschwand natürlich nicht komplett.

 

Inzwischen bin ich zu Hause. Ich habe gesaugt, Müll und Biomüll herausgebracht, die Küchenspüle gemacht, durchgelüftet und war plötzlich wieder ganz gestresst. Dauernd denke ich an die Gummibärchen im Zimmer nebenan. Das hat mich vor ein paar Minuten wirklich gewurmt und ich habe mich gefragt, was mich jetzt denn schon wieder so stresst, das ich es mit sinnlosem Essen betäuben möchte.

 

Mein Ziehtochter kommt dann von der Arbeit nach Hause. Ich möchte das sie in ein sauberes Zuhause heimkommt. Es stresst mich, das ich den Haushalt seit der Tagestherapie sehr vernachlässige. Es stört mich, das ich nicht mehr koche. Aber stört das alles auch meine Ziehtochter? Und wenn es sie stören würde, könnte sie das was sie stört, nicht auch selbst erledigen?

 

Also mich als Jugendlich hätte es jetzt überhaupt nicht gestört, wenn es mal für 4 Abendessen lang, nur TK-Pizzas, Frosta und TK-Frühlingsrollen gegeben hätte. Zumal wenn meine Eltern auch noch meine Lieblingspizzen eingekauft hätte. Und ich hätte mich ja auch selbst etwas kaufen können, wenn ich wollte. Also muss ich mich wegen des Essens eigentlich gar nicht stressen. Wenn es Isa nicht schmeckt, sie kann sich jederzeit etwas kochen, wir könnten Essen bestellen, Essen gehen oder was der Geier was.

Das Problem "ungesundes Essen" ist überhaupt kein Problem. Und dadurch das ich Süßigkeiten esse, wird etwas was nur in meinen Vorstellungen exsistiert, auch nicht gelöst.

 

Der Haushalt ist im Groben sauber. Wir haben einen Deal: wenn ich auch den ganzen Tag außer Haus bin, kümmert sich Isa um ihr kleines Bad selbst. Sollte ihr etwas im Haushalt nicht sauber genug sein, was eher unwahrscheinlich ist, könnte sie es selbst reinigen. Das ist also auch nicht das eigentlich Problem!

 

Jetzt gilt es herauszufinden, was mich wirklich stresst und welches Bedürfnis dahinter steckt. Mir klingen noch die vielen Stimmen vom heutigen Tag nach. Eigentlich will ich jetzt für mich alleine entspannen. Essen würde das nicht ändern. Und ich bin noch so hektisch. Ich merke das, weil ich so hektisch in die Tastatur haue, wenn ich hier meinen Text tippe.

 

Ich möchte herunterkommen von meinem Stresslevel und wieder entspannt sein. Gerade eben habe ich das Badewasser aufgedreht und werde gleich in ein Duftbad mit Vanille- und Lavendelduft steigen. Und in der Wanne mal Achtsam sein, wie sich das Wasser und die Wärme auf  meiner Haut anfühlt. Was der Duft und das warme Wasser mit meinen angespannte Gefühlen macht. Ich bin guter Dinge, das ich es bin zum gemeisamen Abendessen mit Isa schaffe und mir selbst den entspannten Abend gönne, den ich mir nach so einem stressigen Tag wahrlich verdient habe.

 

Wie es ausgegangen ist? Ich berichte euch Morgen. Und jetzt wird der PC heruntergefahren und nur noch an mich gedacht.

 

Alles Liebe!!!!!

 

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Kommentare: 4
  • #1

    Elelen (Dienstag, 13 November 2018 19:52)

    Hallo Liebes,

    ich habe das auch, anfallsweise, dieses Essen und Essen und immer weiter Essen, obwohl ich keinen Hunger habe. Ich esse dann "nur" Milchstieleis", aber jedes hat gute 150 Kalorien (Minidinger). Ich komme dagegen auch nicht an und weiss nicht, warum ich diese schlimmen Anfälle bekomme. Mal einmal im Monat, mal alle zwei Tage.

    Ich vermute, dass es bei dir genau die Therapie und die damit verbundenen Hoffnungen sind, die dir so einen Stress bereiten. Denn wäre es einfach nur Unordnungsstress, könntest du doch auch Gemüse oder Obst essen. Aber es sind Süssigkeiten, und die haben doch eine Bedeutung, oder?!
    Falls du mal dahinter kommst oder das Problem gar lösen kannst, wäre ich dankbar, würdest du uns anderen Armen das mitteilen. :-)
    Ich lese hier immer noch mit, still und bei dir. Ich wünsche dir Kraft und Durchhaltevermögen.
    Fühl dich gedrückt!
    Elelen

  • #2

    Frl. M. (Mittwoch, 14 November 2018 07:05)

    Danke Elelen

    https://www.bundesfachverbandessstoerungen.de/essstoerungen/essstoerung-mit-essanfaellen-binge-eating-disorder.php

    https://www.bundesfachverbandessstoerungen.de/essstoerungen/ess-brechsucht-bulimia-nervosa.php

    Je nachdem, schwinge ich zwischen Beiden hin und her. Da bin ich keine Ausnahme. Die meisten Essgestörten haben über die Dauer ihrer Störungen verschiedene Typen der Essstörung.

    Warum man kein Gemüse oder Obst isst? Das kann ich auch. Aber ein Merkmal einer Essstörung ist: man will sich irgendwie selbst spüren. Im Gegensatz zu Obst und Gemüse haben Knabber- und Naschsachen einen viel ausgeprägteren Geschmack. Zudem greift man ja unbewusst zu während eines Anfalls.

    Aber ich bin da keine Spezialistin oder Fachfrau. Das muss ich mir selbst noch erklären lassen und vor allem begreifen.

    Fakt ist aber: Wenn meine Anspannung nicht so hoch ist, kann ich es inzwischen gut aushalten.

  • #3

    Daniela (Donnerstag, 15 November 2018 13:46)

    Dürft ihr in der Therapie Kopfhörer tragen? Kommt mir einfach grad so in den Sinn, da bei Tochter in der Schule jeder Schüler einen Ohrschutz-Kopfhörer beim Pult hat, und jederzeit, wenn sie ruhig arbeiten und eines sich abgelenkt fühlt, diesen anziehen dürfen. Dämpft ja in der Regel auch nur ab und man hört doch noch vieles. Oder vielleicht gäbe es auch unauffälligere Ohrstöpsel?
    "Rückfälle" (ich nenne es nicht so gerne so, denn für mich sind es Hinweise) zeigen mir immer, dass etwas grad nicht passt, ich aber noch keine andere Strategie habe, damit umzugehen. Habe ich noch immer oft, manchmal mehr manchmal weniger, aber nach so vielen Jahren braucht es einfach auch Zeit, neue Strategien fest und dauerhaft zu verankern...

  • #4

    Micha (Donnerstag, 15 November 2018 17:24)

    Hallo Daniela,
    ja das dürfen wir. Also natürlich nicht bei jeder Therapie, aber wann immer es möglich ist.
    Wir dürfen uns sogar zurück ziehen, wenn wir müssen. Allerdings sind meist andere Patienten auch im Ruheraum, so das man nicht wirklich zur Ruhe kommen kann.

    Aber manchmal hilft das und ich mache mir Ohropax rein. ;-)