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KEIN Wettbewerb

Das zurück drängen der Essstörung ist kein Wettbewerb, bei dem es um Schnelligkeit geht. Das merke ich mit jeder Erkenntnis mehr und mehr. Und jede Kleinigkeit die ich in meinem Suchtverhalten entdecke, bringt mich einen Schritt weiter. Und so hat sich das gestern zeitgleich Gut und Scheiße angefühlt, als ich einem weiteren Essmuster von mir über den Weg gelaufen bin.

Da ich diese Woche wieder in der Firma von meinem Mann im Einsatz bin, bin ich auch wieder etwas mehr gestresst. Die kleinteilige Arbeit gestern, so ein Kack, ehrlich. Ich musste so ganz kleine Kupferteile mit Hacken biegen und in die Leiterplatten händisch einpressen. Ich schwöre, mein rechter Daumen war am Ende der Arbeitszeit doppelt so dick, weil ich damit die Teilchen in die Leiterplatten versucht habe zu pressen. Ich hatte zwar ein Hilfsmittel, aber der Daumen musste einfach jedes Mal mit ran und das hat dann auch irgendwann echt weh getan. 

 

So kleinteilige Arbeit, bei der man die Teilchen nicht mal richtig halten kann und sie immer wieder aus der Hand fallen. Das macht mich nervös und irgendwann stresst mich das auch, warum auch immer. Ich bin halt dann leicht überfordert. Nach über einer Stunde kam dann der erste Gedankenblitz: "ach wenn ich doch nur was zum Naschen da hätte"

 

Bingo!!!!

 

Und dann ging das Hirn los. Stimmt, auch zu Hause, wenn ich viel so Kleinigkeiten zu erledigen habe, da greife ich dann auch oft nach Essen. Wenn ich bei einer Arbeit bleiben kann, wie zum Beispiel, das ich mich 1 Stunde oder länger mit Essen kochen oder Backen beschäftige, dann habe ich keinen Drang ohne Hunger zu essen. Aber wenn ich durchs Haus sause und viele kleine Arbeiten zu erledigen habe, dann werde ich nervös und hippelig und greife automatisch zum Essen.

 

Warum eigentlich? Das habe ich mich auch gestern gefragt.

Ich glaube, weil es mir eine kleine Pause verschafft, etwas was ich nicht in Hektik mache. Das ist wie eine Übersprungshandlung. Ich war gestern auch mehrmals versucht, mir einen Kakao in der Cafeteria zu holen. Dabei ist der pappsüß und ich bin einfach nur satt danach und müde.

 

Dabei geht es mir gar nicht um das Essen oder Trinken sondern einfach nur um die Verschnaufspause. Ich will mich, glaube ich zumindest, kurz runterfahren und raus aus der Hektik. Mein Mann hat mir schon ein paar Mal angeboten, das ich dann auch mal eine Runde um die Firma drehen kann. Das sind zwar nur 5 Minuten, aber das erdet mich immer wieder gut. Wenn wir alleine sind, mache ich das auch inzwischen. Aber wenn sein Cousin mit dabei ist, schäme ich mich dafür. Ich bin vorgestern mal für eine Runde raus um den Block und er hat halt nachgefragt, warum ich die Türe nur anlehne. Nichts schlimmes, nicht aus Neugierde oder so. Aber wenn ich da jetzt zwei oder dreimal am Vormittag eine Runde drehe, meint er am Schluss das ich hier extra Würste mache.

 

Diese Schamhaltung muss ich mir abgewöhnen, was die kleinen Auszeiten bei Hektik anbelangen. Ich brauche das, um nicht sinnlos zu essen.

 

Alles in Allem habe ich das Naschen in der Arbeit gut verarbeitet und dem Naschdruck standgehalten. Zu Hause ging die Hektik dann für mich weiter. Bäder putzen, Wäsche waschen, Einkaufen, Staubsaugen ... ich habe zum Nutellaglas gegriffen. Der Druck war dann einfach irgendwann zu groß für mich. Besser gesagt, er war gestern "noch zu groß" für mich. Aber es fühlt sich nun andersn an, wo ich einen weiteren Grund benennen kann, warum ich sinnlos zu Essen greife. Mit dem Wissen "Warum", lässt sich der Essdruck länger und besser aushalten. Und ich fange an, nach Alternativen zu suchen.

 

Und es erstaunt mich auch immer wieder, das ich erst nach so vielen Jahren wirklich anfange nach meinen Essgründen zu suchen. Ich habe das so oft in irgendwelchen Büchern gelesen, das man halt suchen soll. Aber das war mir immer zu abstrakt, ich konnte mir überhaupt nichts darunter vorstellen. Jetzt ist das irgendwie anders, kann es nicht beschreiben.

 

Was ich aber merke, sobald mir in Situationen auffällt, das ich ohne Hunger esse und ich den Grund herausfinde, ist der Druck  zu essen etwas kleiner. Hm ... und irgendwie, also das mit dem Essen wenn es Hektisch wird, das kam mir einfach so in den Kopf geschossen, wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Ich habe da nicht minutenlang darüber nachgedacht. Mir vielen danach auch noch andere Situationen ein, wie zum Beispiel im Haushalt. Und dann viel es mir halt wie Schuppen von den Augen: Mensch, immer wenn ich soviel verschiedene kleine Sachen unter Zeitdruck mache, dann habe ich so einen verdammt großen Druck mich mit Essen zu belohnen. Und ja, wenn ich mich dann mit dem Essen kurz ausblende, dann nimmt das für die kurze Zeit den Druck raus und die Hektik ist im Hintergrund.

 

Ich werde heute einen Kopfhörer mit in die Arbeit nehmen. Wenn es mir zuviel wird, setzte ich ihn immer wieder auf und lasse mich mit Musik berieseln. Vielleicht hilft das ja auch ein wenig. Außerdem werde ich einen meiner Stressbälle mitnehmen. Das hilft mir, wenn der Essdruck noch nicht ganz so groß ist. Wird schon werden.

 

Und jetzt mit ich erst mal erleichtert. Mit dem Aufschreiben hat sich noch einmal einiges für mich Klarer dargestellt, so das ich wahrscheinlich noch besser dagegen angehen kann.

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