Egal ob:
- Monatliche Abnahme in Kilos
- Abnahmen in Kilogrammdaten überhaupt
- Körpergewichtangabe und BMI (je niedriger, umso schlimmer bei mir)
Sie triggern mich ungemein und zwar im negativen Sinne. Auch heute noch, 4 Jahre nach meiner wirklich schlimmsten Phase der Essstörung und meinem niedrigsten Gewicht. Da helfen auch die Fotos von mir selbst nicht. Der übergroße Totenkopf auf dem schmalen Körper .... nein, wenn ich solche niedrige BMI und Kilozahlen lese, da passiert in mir drin einfach ganz viel
Zu meinen schlimmsten Essstörungszeiten war ich ein LolliPop auf zwei stacksigen Beinen, die sich immer noch viel zu dick vorkam und das NICHT auf den Bildern sehen konnte! Heute kann ich das zum Glück sehr gut erkennen.
Damals war das eine Katastrophe. Während einer Therapie wurde meine Selbstwahrnehmung ausgetestet. Anschließen saß ich heulend da und habe mich in Grund und Boden geschämt.
Jedenfalls ist es Heute noch immer so, das wenn ich Daten lese, wo eine andere Frau in meinen Augen die besseren Daten hat (Verhältnis Gewicht zu Körpergröße) das ich dann nicht sofort in falsche Fahrwasser gerade. Leichter Neid keimt in mir auf, obwohl mein Verstand genau weiß, das so ein BMI bei mir Grundverkehrt ist und ich damit auch nicht die beste Leistungsfähigkeit hat.
Was allerdings NICHT heißt, das es bei der anderen Frau mit dem niedrigeren BMI ebenfalls so sein muss. Nein, vielleicht hat sie mit so einem niedrigen BMI eben ihr körpereigenen, bestes Gewicht erreicht.
In mir sträuben sich alle Haare, wenn freudestrahlend und voller Stolz (so soll es um Himmels Willen auch sein, macht weiter so) mit tollen wöchentlichen, monatlichen Abnahmen angegeben wird. Ich war genauso und das motiviert während der Abnahme ungemein.
Es ist nur ein kleiner Bruchteil von Menschen, bei denen es dann so aus dem Ruder läuft wie bei mir. Die meisten Menschen ziehen den Schlussstrich früh genug unter ihre Abnahme. Schwierig wird es wohl nur dann, wenn man meint noch einen Puffer nach oben und dann noch mal einen kleinen Puffer einbauen zu müssen. Dann sollten die Alarmglocken angehen.
Ach, das tun sie vielleicht auch, aber man will sie nicht hören. Ich habe Menschen aus meinem Umfeld dann unterstellt, das sie mir meinen Gewichtsverlust neiden. *ggr*. Wie bescheuert ich damals war.
Auch heute strebe ich immer wieder nach viel weniger Gewicht. Mein Verstand setzt bisher zum Glück immer gut ein, wenn ich mal wieder dabei bin evlt. auf Abwege zu geraten. Ich habe aufgehört Dinge zu versprechen, wie:
- ich wiege nie wieder mehr als 60 kg
- ich werde nie wieder alles versuche, um weniger zu wiegen
- ich werde nie mehr regelmässig Abführmittel nehmen, auch wenn ich weiß das es Dumm ist
- ich werde nie mehr Kleidergröße 36 anstreben
Das einzige was ich aus vollem Herzen versprechen kann ist:
- ich werde immer mein bestmöglichstes und noch ein bisschen mehr geben, das ich nie mehr dahin komme, wo ich war (siehe obige Liste)
Bisher gelingt mir das zu 98 % echt gut und darauf bin ich persönlich stolz. In Beiträgen mit so Kilo und BMI-Angaben, da versuche ich einfach darüber weg zu lesen und die Zahlen nicht wahrzunehmen. An Beiträgen, wo die Kiloabnahmen ganz plakativ und stolz geschrieben werden, da gehe ich überhaupt nicht mehr ran. Nicht weil ich den anderen ihren Erfolg nicht gönne, sondern weil ich mich damit am Ende selber in eine Schieflage und schwierige Situation bringe.
Überhaupt versuche ich schwierigen Gewichts- und Esssituationen einfach aus den Weg zu gehen. Früher habe ich mich regelmässig damit konfrontiert (war auch die Taktik in den Kliniken für Esstörungen so) und es hat mich extrem gestresst. Da kam dann zu der offenen Wunde Essstörung immer noch ein akuter Schub schwere Depression hinzu. Ich glaube, das muss ich nicht mehr haben.
Von daher fahre ich mit meiner Vermeidungstaktik inzwischen am Besten. Die Konfrontationstaktik habe ich unter Aufsicht und auch alleine über Jahre erfolglos ausprobiert. ;-) Man muss wissen, wen man von toten Pferden absteigen muss.
An manchen Tagen habe ich immer noch das Gefühl: wohoa, das Stückerl Kuchen, das muss jetzt nicht wirklich sein. Ich habe dann oft Angst, das es sich sofort auf der Waage bemerkbar macht. Zum Glück habe ich mich an den guten Tagen soweit im Griff, das ich nicht ständig auf die Waage steigen will. Und an schlechten Tagen meide ich die Waage sowieso wie der Teufel das Weihwasser.
Aber jeder Gang auf die Waage ist für mich wie der Ganz zum Kreuzschaffot. Ich habe Angst und ein ungutes Gefühl und ich höre förmlich die Steine der Erleichterung plumsen, wenn die Waage anzeigt, das ich mein Gewicht gut gehalten habe. Abnahmen, und seien es auch nur 200 gr. lassen mich förmlich jubeln. Das mag ich nicht mehr an mir, das ich mich gut fühle und juble, wenn ich wieder mal ein wenig weniger wiege.
Ich habe definitiv noch kein neutrales Gefühl zu meiner Waage und zu meinem Gewicht aufgebaut. Und an schlechten Tage will ich immer noch ein kleinen Puffer. Ich weiß nicht für was, den mein Spiegelbild angzogen gefällt mir sehr.
Ich habe immer noch viel zu Tun, was meine Selbstwahrnehmung angeht. Aber ich bin auf alle Fälle schon viele Schritte in die richtige Richtung gegangen. Und das zu Wissen, das tut mir an schlechten Tagen, wo ich gerne wieder in alte Muster zurückfallen möchte, sehr gut.
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