
Eine Collage von der Zeit vor meiner OP und weit nach meiner Schlauchmagen-Op, schon wieder mit Normalgewicht.
Es ist mir einfach eine Herzensangelegenheit, dieses Thema und es kann nicht öffentlich genug sein.
Ich weiß nicht, was normales Portionsgrößen auf dem Teller sind. Auch fast 7 Jahre nach meiner OP ist da immer noch eine Unsicherheit und ich kann es nicht festmachen. Ich weiß schlicht und ergreifend nicht, wieviel sich auf den eigenen Teller gehört und wieviel man isst, um satt und gesund zu sein.
Den ein Satt-Gefühl wie ein Un-Operierter, das habe ich seit der OP nicht. Und davor habe ich schicht und ergreifend viel zu viel gegessen. Ich habe gegessen, bis mir schlecht war und ich mich nicht mehr richtig bewegen konnte. Das war über ganz viele Jahrezehnte hinweg mein "Satt-Gefühl".
Herzensangelegenheit
Habe ich vor meiner Schlauchmagen-OP maßlos viel gegessen, so ist das mit der
Schlauchmagen-OP in den ersten Jahren ins Gegenteil gerutscht. Ich habe viel zu wenig gegessen, teilweise das Essen verweigert. Ich kannte keine normale Portionsgröße seit meiner Schulzeit
mehr.
Es ist für einige von uns schwierig nach einer Adipositas-OP das richtige Maß beim Essen und beim Sport zu finden. Die Angst, nach einer nicht so kontrollierten Mahlzeit oder einem Sportfreien Tag sofort wieder Dick zu werden, sitzt tief verankert im Unterbewusstsein. Es ist wichtig auf Signale zu achten und bei Bedarf sofort professionelle Hilfe zu suchen!
Ich habe mein Essen grundsätzlich von der Zahl auf der Waage abhängig gemacht. Zu meiner Abnehmzeit hieß das für mich: wenn ich am Morgen nicht weniger gewogen habe, als am Tag zuvor, dann gab es erst einmal nichts zu essen. Ich saß so lange auf dem Klo bis was kam, dann ging ich wieder auf die Waage. Das Spiel habe ich wiederholt, bis ich zumindest ein paar Hundert Gramm weniger wog, als am Vortag. Dann gab es zur Belohnung ein paar Weintrauben oder ein viertel Stückchen Brot.
Nach der großen Abnahme hieß das dann für mich: bei einer Zunahmen, die hormonellbedingt, Wassereinlagerungsbedingt, Salzbedingt ja immer und regelmässig vorkommen, gab es wieder kein Frühstück, dafür aber mind. 20 Abführtropfen. Taten die ihren Dienst und ich wog wieder soviel wie am Vortag, durfte ich essen. K R A N K ! ! !
Am Ende sah ich wie ein Knochengerüst auf zwei Beinen aus. In der Klinik
sollte ich mit einem Stück Wolle meinen eigenen Umfang schätzen. Ich setze das Bild mit ein. Ich hatte auf alle Fälle einen etwas größeren Umfang als mein Hausschuh mit Schuhgröße 37 - ich war
krank! Und trotzdem blickte mir aus jedem Spiegel ein "dickes Ich" entgegen. Das nennt man das Körperschemastörung.
Egal wie viel ich in den Spiegel gesehen, wie oft ich meine Jeans angesehen habe und voller Stolz bemerkt habe, wie zierlich sie waren .... ich sahr wirklich und wahrhaftig immer eine dicke Frau im Spiegel.
Unter all den Hautlappen war nichts mehr an mir dran, außer Knochen. Und das bei einem damals noch gesunden BMI von knapp 23! Also bitte nicht an einer Zahl festhalten, sondern den Blick in den Spiegel suchen und sich ehrlich ansehen! Bin ich noch genug, sieht mein Körper noch gesund aus?
Den das Elend unter den Hautlappen sah nicht besser aus, ich habe leider keine Bilder davon. Aber ich kann auch sagen:
- hervorstehende Beckenknochen
- ein breites Loch wo eigentlich ein Bauch sein sollte
- kein Sitzfleisch mehr am Po, jedes Sitzen (selbst auf auf einem Polstersessel) tat weh
- Kleidergröße 36 war teilweise zu groß und ich habe voller falschen Stolz in der Kinderabteilung eingekauft
Meine damalige Therapeutin hat mich gefragt, ob ich stolz darauf bin das ich eine kleinere Kleidergröße trage, als meine Leihtochter, die damals eine 16-jährige Teenagerin war? Ob ich stolz darauf bin, als erwachsene Frau den Körper eines Mädchens zu haben?
Ich habe voller Scham geweint. Den ich war stolz darauf, habe das gemocht und habe mich zeitgleich alt und hässliche gefühlt. Es war eine schreckliche Zeit. Ich habe meinen Körper, meine Gefühle und das was war und was mein Hirn mir beim Blick in den Spiegel vorgekaugelt hat, nicht zusammen gebracht.
Ich stand komplett neben der Kappe.
Anzeichen, dass dein Verhalten außer Kontrolle geraten sein könnte, sind:
- wenn du deine Nahrungsmittelauswahl und deine Portionsgröße von einer Zahl auf der Waage abhängig machst
- wenn du dir grundlos (Unverträglichkeiten ausgenommen) Lebensmittel verbietest, weil sie in deinen Augen zuviele Kalorien, Fett oder Carbs haben
- wenn du dir bei Gewichtsschwankung oder Stillstand auf der Waage das Essen komplett verbietest
- wenn du außer Haus oder bei Einladungen aggressiv reagierst, weil du vermeintlich keine Kontrolle über dein Essen hast
- wenn du dein Essen erbrichst
- wenn du Abführmittel missbrauchst
- wenn du dir Essen nur erlauben kannst, wenn du davor oder danach sehr extremen Sport treibst
Diese Liste ist unvollständig!
Missbrauche deinen Körper nicht, gib ihm täglich alle Nährstoffe die er für ein gesundes Leben braucht. Gehe das Problem zügig an, hol dir professionelle Hilfe. Denk daran, leider ist es so, das man oft Monate auf einen Therapieplatz warten muss. Also nicht auf Zeit spielen, gleich suchen, den du musst eventuell eh warten und hast in der Regel Zeit genug dich mental auf Therapie einzustellen.
Es passiert nichts, was du nicht auch willst, das musst du wissen. Du bist keinem Zwang ausgesetzt, wenn du in eine ambulante Gesprächstherapie gehst.
Und denk bitte daran: Du hast sehr viel zu verlieren, wenn du es nicht tust. Nämlich ein gesundes, unbeschwertes Leben.
Im Gegenzug hast du eine ganze Menge zu gewinnen. Nämlich ein gesundes, unbeschwertes Leben bis an dein Lebensende!
Missbrauche deinen Körper nicht, Missbrauche deine Seele nicht. DU hast das Beste verdient, such es dir gezielt. Hol dir die Hilfe, die du dir verdient hast
Den das Leben ist bunt, mit all seinen Facetten und es will gelebt werden!
Hol dir Hilfe, das ist keine Schande. Und schau mich an. Ich sehe mit den 10 oder sind es vielleicht sogar 15 kg zu meinem niedrigsten Gewicht viel gesünder und besser aus. Ich fühle mich besser, ich habe viel mehr Energie für den Tag und die Herausforderungen!
Live Life to it´s best!
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Tupmideli (Dienstag, 25 Januar 2022 22:49)
Waow bist du mutig!!! Und stark!!
StraightOn (Mittwoch, 26 Januar 2022 08:58)
Ganz lieben Dank. Wenn nur 1 Mensch durch diesen Eintrag Hilfe sucht, ist mein kleines Ziel erreicht!