Sonntag der 03.02.2019
Wow, das war es dann also. Die ersten Koffer sind gepackt, die nimmt mein Mann heute Nachmittag schon mit nach Hause. Ich folge dann am Dienstag mit dem Rest.
Die letzten 4 Wochen sind für mich wie im Flug vergangen, es ist unglaublich. Ich hoffe, das ich einiges beibehalten werde, was ich hier nun für 1 Monat im geschützen Rahmen erarbeitet habe.
Wo ich eine ganz große Gefahr für mich sehe, ist das Einsparen von Mahlzeiten. Im Augenblick bin ich zum Beispiel so müde, das ich mich lieber schlafen legen würde, als hier zu sitzen und die Zeit bis zu meinr Zwischenmahlzeit zu überbrücken. Das ist schon ein arger innerer Kampf. Die 500 gr lächerliche Zunahme machen es mir nicht gerade leichter. Ja .... ich weiß ... das ist keine reele Zunahme ... aber ich glaube, das wäre auch zuviel verlangt, wenn ich das nach 4 Wochen schon entkoppelt hätte.
Zumindest kann ich es mir nun selbst eingestehen, das es keine Zunahme ist. Denn ich esse ja seit 4 Wochen immer die gleichen Portionen. Nichts desto trotz kommen dann bei mir schon Einsparungs-gedanken hoch. Die Rottenmeier lässt sich halt nicht so einfach verjagen.
Mein Schatz kommt mich ja nachher besuchen, dafür habe ich extra Ausgang bekommen. Wieder mal eine kleine Erprobung für mich. Wir gehen Mittagessen und später noch Kaffee trinken. Musste mich mal wieder vor meiner Therapeutin festlegen. Mittags entweder gebratenen Fisch oder was mit Hackfleich. Als Kuchen entweder wieder Mürbeteig oder Sahnetorte.
Ganz langsam begreife ich auch warum die hier immer soviel Wert auf Fett legen. Also Fett im gesunden Maße. Wenn ich die Kohlenhydrate mit Eiweiß oder/und Fett gemeinsam Esse, kommt es bei mir zu keinen Heißhungerattacken. Ehrlich gesagt, ich hätte das nie und nimmer geglaubt, aber ich muss dem Team hier zustimmen.
Ich zuckere hier auch überhaupt nichts mehr extra nach. Nicht weil ich muss, im Gegenteil, das wird hier eher kritisch gesehen. Den kein Lebensmittel soll verteufelt werden. Aber ich habe hier herausgefunden, das ich Tee, Kaffee mit Zucker nicht vertrage. Das beschert mir immer ein sogenanntes Dumping und mein Blutzucker rutscht innehalb einer Stunde in den Keller und landet dann schon gerne mal bei knapp unter 50. Sehr unangenehm für mich. Ich kann dann Realität und Träume nicht mehr unterscheiden, fange an zu zittern und werde ziemlich unruhig. Da verzichte ich aus praktischen Gründen sehr gerne auf Zucker.
Und unsere Mahlzeiten sollen wir so essen, wie sie auf den Tisch kommen. Also nicht nachwürzen. Fand ich am Anfang schwachsinning, habe mich aber ziemlich daran gewöhnt.
Meine Geschmacksknospen danken es mir. Gestern hatte ich ein Brötchen zum Frühstück, das wohl zuviel Salz abbekommen hat. Lecker, vor allem wenn es mit Marmelade bestrichen ist. Und die 2 Kinderriegel am Abend ... jo, die fand ich viel zu süß.
Das gilt es jetzt für mich so lange wie möglich zu bewahren.
Ich melde mich im Laufe der kommenden Woche wieder. Den neben schmutziger Klamotten und anderen Dingen, lasse ich heute auch den PC mit nach Hause nehmen. Tut mir ganz gut, dann werde ich mich heute und morgen Abend voll auf mein Malzeug stürzen.
Ich freue mich echt sakrisch auf zu Hause. Drückt mir bitte die Daumen, das ich ganz viel mit nach Hause nehme und die Werkzeuge dann auch im praktischen Leben einsetze.
Mittwoch der 30.01.2019
Ich will gar nicht gehen müssen am Dienstag. Kaum zu glauben, das das meine Gedanken sind.
Seit Dienstag Mittag bin ich an einen anderen Tisch gewechselt. Jetzt geht es darum, das ich selbstständig meine Mahlzeiten portioniere und selbstständig für meine Zwischenmahlzeiten sorge.
Überhaupt kein Ding, das habe ich noch vor einigen Wochen gedacht. Dafür hatte ich ja auch bei meiner Therapeutin gekämpft. Ich war felsenfest davon überzeugt, das geht mir locker von der Hand. ;-)
Gestern Vormittag stand ich dann echt hilflos im Laden. Ohne die eigene Küche ist eine Zwischenmahlzeit nicht so einfach zu organisieren. Und sie soll ja auch noch wertig sein. Also nicht einfach nach einen Apfel oder Trauben greifen, weil sie leichter sind. So leicht wird es mir dann auch nicht gemacht. Es soll ein adequater Ersatz für meine bisherigen Zwischenmahlzeiten sein.
Ich habe mich dann nach langem Hin und Her für 1 Banane und einen Rahmjogurt entschieden. Darauf kann man dann auch wirklich stolz sein und ich ging erleichtert aus dem Laden raus. Halt ne, doch nicht ganz. Ich musste mir auf Therapieanweisung hin noch eine Packung Kinderriegel mitnehmen.
Ich muss nun zusätzlich an drei festgelegten Tagen am Abend unter Aufsicht 2 Kinderriegel essen.
Grund dafür: Ich bin einfach nur süchtig nach Süßkram und habe immer ein schlechtes Gewissen. Daher kenne ich bei mir bisher nur die "Ganz oder Garnicht"-Taktik. Also Tafel kaufen und am besten noch im Auto ratzputz verschlingen ohne das überhaupt richtig wahrzunehmen. Ich soll damit nun lernen, das ich mir durchaus Schokolade erlauben darf und deswegen nicht dick werden. Außerdem soll ich lernen, das Süßkram ein Zusatz ist, den man genießt.
Jetzt habe ich also eine ganze Packung hier im Zimmer liegen und ich esse sie nun unter Aufsicht an bestimmten Tagen. Noch fällt es mir nicht schwer, darüber herzufallen. Denn ich habe hier ja ein Versprechen abgegeben.
Zuhause werde ich mir auch etwas zum Naschen kaufen, meinen Mann geben und er soll mir an drei Abend jeweils eine bestimmte Stückzahl geben. Die Tage will ich nicht wissen, den dann kann ich vorher nicht einsparen beim Essen. Ich muss durch die Angst durch und ich muss lernen, das die Waage deswegen nicht explodiert.
Eine weitere Hausaufgabe für die kommende Woche ist: das ich bis Morgen einen Mahlzeitenplan für die erste Woche zu Hause erstelle. So muss ich zu Hause gar nicht erst nachdenken, sondern kann nach Liste gehen. Ich glaube echt, das mir das hilft, in der Spur zu bleiben. Da werde ich mich nachher daran machen.
Für die kommenden Tage hier in der Klinik soll ich mich auch bei Frühstück und Abendessen auch entscheiden was ich esse. Also welche Brötchen/ Brotart, ob Wurst, Käse oder Marmelade. Damit ich hier das "nach Lust und Laune - Essen" vermeide, weil das Zuhause anscheinend oft zum vermeiden oder vermehrten Essen kommt. Ist auch immer ein Hintertürchen. Wer hätte das gedacht, das ich solche Pläne mal guten finden würde. Echt jetzt? Aber sie sind gut für mich und ich empfinde dieses Planen gerade als eine sehr große Sicherheit.
Gestern hatte ich noch meine lange Einzelstunde mit meiner Therapeutin. Für den nächsten Klinikaufenthalt geht es darum, das ich die richtigen Medikamente für meine BiPolare Störung II bekomme. Außerdem möchten sie, das ich meine Rente geklärt bekomme. Danach würde sich meine Therapeutin freuen, wenn ich mich erneut hier anmelde. Und sie würde versuchen, das ich wieder bei ihr ins Team komme. Ich brenne darauf! Und es motiviert mich sehr, das ich hier weiterhin am Ball bleibe.
Ich weiß, ich werde es nicht perfekt machen und setzte mir daher machbare Ziele.
Das sind meine ersten Wochenziele. Ich will versuchen, mir jede Woche andere Ziele zu setzten oder Ziele zu verfestigen. Und ich werde, genauso wie hier, mit Belohnung arbeiten, wenn ich alle Wochenziele geschafft habe.
Nun weiß ich auch, welches Essstörungsbild man hier für mich diagnostiziert hat. Ich habe eine Atypische Bulimia Nervosa. Mit anderen Worten: meine Bulimie ist da, aber ich habe zum Glück nicht alle Symptome einer Bulimie. Kompliziert wird es nur dadurch, das ich quasi in einem Diät-Haushalt aufgewachsen bin und einen gesunden Umgang mit Lebensmittel und Portionen in der Praxis nicht gelernt habe. Ich habe das Wissen, mir fehlt aber die Praxis und in der Umsetzung bin ich eine blutige Anfängerin.
Ich habe Respekt und Angst vor meiner Entlassung. Werde ich mich so gut schlagen, wie hier in der Klinik? Damit der Berg nicht also groß wird und ich mir vor Augen halten kann, das ich schon ganz andere Sachen gemeistert habe, obwohl ich zwischendurch gerne aufgegeben hätte, ein Bild vom letzten Urlaub.
Diese Wanderung war für mich bisher die größte Herausforderung, der ich mich stellen mußte. Es war kein guter Tag, ich war schon vor der Wanderung noch etwas geplättet von der Wanderung tags zuvor.
Die Wanderung war mit einem viel leichteren Höhenanstieg, wenn auch mehr Höhenmeter. Aber nichts, was ich vorab nicht schon geschafft hätte. Sie hatte bei Weitem nicht soviele Höhenmeter, die ich oft schon am Stück gewandert bin.
Die letzten paar Hundert Meter waren die Herausforderungen meines Lebens. Ich musste mit mir Ringen und Kämpfen. Ich habe geschwitzt und mir war eisekalt gleichzeitig. Ich war gestärkt von einer Suppe mit Einlage, also nichts was mich beschwert hat. Ich stand so oft da und wollte Aufgeben, weil die Kräfte nach gelassen habe. Viele haben mich überholt - Ältere, Jüngere, Dickere, Dünnere. Ich wollte mich nur noch hinsetzten und meine Ruhe. Die ganze Kraft aus meinen Beinen, meinem Körper war anscheinend verschwunden. Alle paar Meter musste ich stehen bleiben und neue Kräfte sammeln. Kurz vor dem Gipfel konnte mich nicht einmal mehr der Gipfel motivieren.
Ich habe nicht aufgegeben, weil ich wußte das ich die gleiche Situation schon mehrmals gemeistert hatte. Mein Wille und mein Glaube an mich selbst haben mich auf den Gipfel gehen lassen. Schritt für Schritt. Und das werde ich auch mit meiner Essstörung und mit meiner BiPolaren Depression schaffen.
Um es mit Winnie Pooh zu sagen:
Du bist tapferer als du glaubst,
stärker als du scheinst
und klüger als du denkst.