29. Mai
Meine Stimmung gestern war niederschmetternd und tief bedrückt. Selbst die Anwesenheit und die Gespräche mit meinem Mann konnten mich nicht aufheitern. War abwesend und sehr still. Mein Schatz hat es natürlich bemerkt und sich irgendwann zurückgezogen.
Heute ist es zum Glück wieder etwas besser.
Ich glaube, ich rutsche wieder in die Esstörung ab. Das zermürbt mich ungemein. Die ersten Anzeichen sind wieder da und ich mache mir selbst die allergrößten Vorwürfe. Ich muss das jetzt auch von der Seite nehmen, sonst kann ich in meinem eigenen Tagebuch nicht ehrlich schreiben. Das ist aber gerade jetzt sehr wichtig für mich.
Ich war gestern auf der Waage und so enttäuscht von mir selbst. Wollte schon wieder aufgeben, weil alles einfach nichts bringt. Bin dann nach dem Einkaufen wie in Trance in eine Apotheke und habe mir wieder eine Flasche Abführtropfen besorgt. Die sind nun gut versteckt in meinem kleinen Zimmer versteckt. Keiner kann sie sehen, aber ich spüre sie in meinem Rücken, in meiner Psyche, in meinem Versagen. Wo soll das alles noch hinführen mit mir.
Neben dieser Wut auf mich selbst bin ich aber auch gleichzeitig sehr, sehr erleichtert. Das Gefühl das ich wieder leicht werde, das kommt zurück zu mir. Nur noch ein paar Kilos und ich hoffe, das ich das dieses Mal unter Kontrolle habe. Ich will einfach nur wieder die 60 Kilo-Marke unterschreiten und gut in meine Hosen Größe 38 / 40 reinpassen. Mehr will ich gar nicht mehr.
Ich will nie wieder diese verdammten 48 kg wiegen, ich will einfach nur wieder unter 60 Kilo, das ich nicht mehr diese verdammte Bezeichnung "Prä-Adipositas" habe. Einfach nur das statistische Normalgewicht. Mehr will ich gar nicht mehr.
26. Mai
Wir sind gerade mitten in der Corona-Krise und alles hat einen ShutDown erfahren. Für mich ist das kein ShutDown sondern eine Sicherheitsinsel. Ich habe mich schon beim letzten Mal schwer getan, als die ersten Lockerungen kamen. Und dieses Mal trifft es mich wieder hart in den Grundfesten.
Ab dem 8. Juni dürfen zur Freude vieler Menschen die Fitness-Studios in Bayern wieder ihre Pforten öffnen. Das ist ganz toll, auch für mein Fitness-Studio und die Trainerriege. Die hatten sicherlich viel Angst um ihre Exsistenz und auch die Tage ohne Arbeit - auf Dauer ist das wohl nichts.
Ich kann nur nicht mit Mundschutz trainieren und so lange es Pflicht ist, Mundschutz zu tragen, will ich nicht ins Studio. Das habe ich zu Hause schon so gesagt und auch Zustimmung erhalten. Aber nun wird der Druck mit jeder Woche wieder größer, der auf mir lastet.
Die Frage, ob ich nicht mit möchte, sie wird nun regelmässig wieder kommen. Sobald ich mich körperlich etwas mehr anstrenge, habe ich das Gefühl nicht genügend Luft hinter der Maske zu bekommen. Das letzte Mal musste ich auf dem Schrottplatz nur ein paar einzelne Holzteile ausladen und nach ein paar Minuten hatte ich Luftnot und Angst hinter der Maske.
Ja, wahrscheinlich ist das alles der liebe Kopf und ich sollte mir keinen Kopf machen. Freude, so sollte es nach so einer Ankündigung in mir aussehen. Ich sitze hier wie ein Häuflein Elend und fühle mich schlecht. Ich hoffe inständig, das es bald ein Medikament oder den Impfstoff gibt. Ich will das Gefühl nicht, das die Maske für mich eine Ausrede sein könnte. Auch wenn ich das vor ein paar Tagen dahinter überhaupt nicht als Ausrede empfunden habe.
Mit der jeder Lockerung die kommt und sie kommen zwangsläufig wieder, fühle ich mich wieder kleiner und schlechter. Das aktive Arbeiten, Tun und Machen um mich herum nimmt wieder steil an Fahrt auf und ich kann nicht mithalten. Dabei will ich sogerne auf den fahrenden Zug mit aufspringen. Einerseits - Anderseits bin ich froh, das ich das Tempo nicht mehr mitmachen muss. Erwerbsminderungsrente sei Dank.
Gestern war hier für meine Verhältnisse viel zu tun. 4 Ladungen Wäsche, Betten beziehen, Saugen, Einkaufen und Kochen. Abends war ich so fertig, das ich wiederum nur hätte heulen können. Ich lag auf dem Sofa, wie ein aus der Kurve gekommener Schluck Wasser.
Wenigstens geht mir mein Humor bei der ganzen Scheiße nicht komplett flöten. Ist ja schon mal etwas.
Ansonsten lenke ich mich jetzt ab und versuche das Schritt für Schritt auf mich zukommen zu lassen.